Inhaltswarnung1
Sie hat ja keine Ahnung, denkt Juno und schenkt der jungen Frau neben sich Champagner nach.
Mit ihr am Tisch sitzen drei Freundinnen im Studentinnenalter und das sanft durch die Hostessenbar wabernde Neonlicht färbt ihre lachenden Gesichter smaragdgrün, lagunenblau, indigo.
Während Junos Kollegin die Gläser der anderen beiden auffüllt, lehnt Juno sich zutraulich an die Schulter ihrer Sitznachbarin, einer Ruhigen mit kerzengerader Haltung und feinen Gesichtszügen, die sich als Rumi vorgestellt hat. „Bist du Tänzerin? Du hast kein Gramm Fett zu viel“, murmelt sie in dem heiseren Ton, dem so viele ihrer Kundinnen verfallen sind.
„Akrobatin. Ich jobbe im Disneyland“, sagt Rumi und grinst. Juno weiß nicht, ob sie die Wahrheit sagt oder Geschichten spinnt.
„Du bist auch im Entertainment-Business!“, ruft sie aus. Als Hostess trinkt sie zwar mit ihren Kundinnen mit, aber die Ausgelassenheit des Rauschs ist nur vorgetäuscht. „Dann verrate mir als Kollegin, wie mache ich mich an diesem schönen Abend?“
Rumis Blick kribbelt auf ihrer Haut, als sie Juno von Kopf bis Fuß mustert. Passend zum Cyberpunk-Achtziger-Thema der Bar trägt die Hostess ein eng anliegendes, lavendelfarbenes Minikleid mit metallischem Schimmer und hohe Plateauschuhe. Ihre Haare sind knallpink gefärbt und ihr Make-up ebenso auffallend.
Rumi wickelt sich eine pinke Strähne um den Zeigefinger. „Mir gefällst du sehr gut“, raunt sie. „Ich fürchte, ich stelle noch etwas Dummes an, bevor die Nacht vorbei ist.“
Erwischt. Juno erwidert das Grinsen. „Ich wüsste da einen Ort, an dem wir uns von unserem Rausch erholen könnten. Einen ruhigen Ort.“
Die Regeln der Bar sind streng. Juno führt Rumi zur Hintertür hinaus und ins nächste Love Hotel, das ihnen die Privatsphäre eines kleinen, aber mit seidenweichem Bettzeug ausgestatteten Zimmers bietet. Rumi fällt über sie her, kaum dass die Tür hinter ihnen zugefallen ist.
Juno drängt sie zum Bett, packt ihre lackschwarzen Haare und zwingt ihren Kopf zurück. Gierig leckt sie über Rumis weißen Schwanenhals, bevor sie die Zähne bleckt und … zubeißt.
An diesem Punkt beginnen ihre Opfer sich zu wehren, zu zappeln, zu schreien oder alles auf einmal. Manche wollen sie wegstoßen und werden immer hysterischer, wenn sie Junos überlegene Kraft spüren. Am Ende kommt kein Mensch gegen sie an.
Rumi dagegen stöhnt lauter, bäumt sich auf, streicht ihr durch die pinken Haare.
Juno verschluckt sich fast, so überrascht ist sie. Aber die Akrobatin schmeckt köstlich, gesund und würzig vor sprühender Energie … edler als Dom Perignon.
Als ihr Durst gestillt ist, leckt sie über die Wunden, um sie zu schließen. Die meisten ihrer Opfer verlieren das Bewusstsein. Der Körper braucht Zeit, um sich zu erholen und zu ersetzen, was er verloren hat. Das Delirium ist eine willkommene Nebenwirkung. Rumi dagegen behält die Augen offen und ihr Blick ist schläfrig, aber klar. „Ich wusste, dass du etwas Besonderes bist“, murmelt sie. „Danke.“
„Danke?“, echot Juno. Das frische Blut rauscht in ihren Ohren.
„Für die Erfahrung.“ Rumi wirkt mit jeder Sekunde wacher. Schließlich stemmt sie sich vom Bett hoch, nimmt eine Flasche Wasser aus der Minibar und leert sie in einem Zug. An der Tür dreht sie sich zu Juno um, die sie sprachlos anstarrt. „Sayonara.“
Als Juno durch die stille Seitengasse zur Bar zurückläuft, schwirrt ihr immer noch der Kopf. Alles, was sie weiß, ist, dass Rumi ihre Identität nicht verraten wird.
Erwähnung von Blut